Ethik (in) der Aquaristik - VDA Talk

      Ethik (in) der Aquaristik - VDA Talk

      Moin,

      ich hab gerade auf Instagram gesehen, dass morgen (28.07.22) ein Zoom-Talk vom VDA stattfindet. Titel des Vortrags ist "Ethik (in) der Aquaristik". Gast ist der Bioethiker Clemens Wustmans von der theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.

      Hier der Zoom-Link: vda-online.de/blog/entry/242-v…-ethik-in-der-aquaristik/


      Klingt jedenfalls sehr spannend! Sofern nichts dazwischen kommt, werde ich mir das auf jeden Fall anschauen.
      Guten Morgen zusammen!

      Ich muß wieder einmal feststellen, dass ich ein Idiot bin.
      Den Termin gestern Abend habe ich vergessen!
      Sehr schade, denn das hätte mich schon sehr interessiert.

      Hat es denn jemand geschafft, dabei zu sein?
      Falls ja, wäre dann eine kurze Beschreibung möglich?
      Ich würde mich freuen und sage dafür einfach schon einmal Danke.
      Grüße aus dem Pott,

      Dieter

      Hi ihr Zwei,

      ich war gestern dabei. Zu Beginn hat Herr Wulstmann eine kleine Einführung in die Ethik gegeben und was das überhaupt ist.
      Ethik wird oft mit Ethos bzw. Moral gleichgesetzt. Ethos (griech.) beschreibt die Sitte in einer Gruppe. Moral (lat.) bezeichnet eher die Regeln und Konventionen in einer Gemeinschaft. Die beiden Begriffe lassen sich nicht so einfach auseinanderhalten.
      Ethik hingegen ist eine Wissenschaft, die verschiedene Moralen bzw. Ethos beschreibt und wissenschaftlich bewertet, indem Pro- und Contra-Argumente für verschiedene ethische Fragestellungen gegeneinander abgewogen werden.

      Ethik spielt auch in der Aquaristik eine wichtige Rolle, da wir als Tierhalter Verantwortung über andere, schmerzempfindbare, Tiere übernehmen und diese quasi von uns abhängig sind. Das wurde dann im zweiten (deutlichen längeren) Part der Veranstaltung in einer offenen Diskussionsrunde diskutiert. Eine eindeutige Antwort darauf, ob Aquaristik nun "moralisch verwerflich" ist oder nicht, gibt es nicht. Je nach Beweggrund kann man unterschiedlich argumentieren. So fiel zum Beispiel auch der Begriff "Verbrauchsaquaristik". Also Aquarianer, die sich Fische nur aus ästhetischen Gründen halten und die sich quasi alle 4 Wochen einen neuen Besatz anschaffen müssen. Das ist moralisch und auch ethisch eher kritisch zu sehen, weil hier die Verantwortung über andere Lebewesen nicht wirklich wahrgenommen wird. Dann gibt es auch noch die Aquarianer, die durch die Aquaristik bzw. das Halten von Tieren ihre "Biophilie" also die Liebe zur Natur ausleben. Das führt dann ggf. zu "bio hording", also dem Horten vieler verschiedener Arten. Hier ist häufig ein Kritikpunkt, dass es gar nicht um das Tier oder die Natur selbst geht, sondern nur ein innerer Trieb befriedigt wird. Zuletzt gibt es dann noch die Gruppe die sich mit Tier- und Artenschutz beschäftigt, wobei man diese beiden Begriffe voneinander trennen sollte. Beim Tierschutz steht das Individuum, also das einzelne Tier, im Mittelpunkt, während es dem Artenschutz um eine ganze Art, also eine Populationsgemeinschaft vieler Individuen, geht. Hierzu kam ein interessanter Wortbeitrag von einem teilnehmenden Zoo-Kurator. Er erzählte, dass Zoos in Zukunft vermutlich deutlich mehr hinter den Kulissen ausbauen werden und beispielsweise Legebatterien für selten gewordene Vögel errichtet werden. Solche Legebatterien erfüllen dann zwar nur gerade so die gesetzlich vorgeschriebene und moralisch gerade noch so vertretbare Haltungsform, sind allerdings für den Artenschutz bzw. den Arterhalt notwendig.

      Aus der Runde kam dann allerdings die Frage auf, wie viele Aquarianer denn zu der Arterhaltung beitragen. Das hatte ich den VDA auch schon mal gefragt, als er auf social media Slogans wie "Aquaristik ist Arterhaltung!" propagierte. Frank Schäfer hatte dazu ein tolles Beispiel, den Feuerschwanz. Dieser ist in seinem natürlichen Lebensraum bereits ausgestorben und dennoch ist er quasi der Verkaufsschlager (aufgrund seiner Optik) im Handel. Er sagte, dass etwa 90% der Feuerschwänze in falsche Haltung gelangen und nur 10% der Halter quasi Artenschutz betreiben, indem sie die Tiere verantwortungsvoll halten.

      Ein Mitglied des VDA-Präsidiums meinte dann, dass wir nach außen hin unser Potential für die citizen conservation und citizen science (also die Arterhaltung und Wissenschaft durch Laien) hervorheben sollten und bspw. nicht unsere Biophilie so hervorheben sollten.
      Die Aussage fand ich etwas kritisch :rolleyes: . Ja, Aquaristik kann auch für den Artenschutz ein wichtiges mittel sein, aber wenn wir mal ehrlich sind beteiligt sich nur ein Bruchteil der Aquarianer daran. Transparenz sieht definitiv anders aus, und zu Transparenz hatte eigentlich auch der Theologe und Ethiker Wulstmann aufgefordert. Nun ja, auch der VDA ist nicht frei von Vereinsmeierei.

      So, das waren die wichtigsten Eckpunkte, die bei mir hängengeblieben sind. Das ganze ging über zwei Stunden. Ich muss zugeben, dass ich gegen 21 Uhr abgeschaltet habe, die Konzentration ließ langsam nach, allerdings hatte ich auch einen anstrengenden Tag hinter mir :whistling: . Insgesamt war es eine nette Abendunterhaltung. Über das Thema Tierethik kann man wahrscheinlich noch ewig philosophieren. Vielleicht hat der ein oder andere hier ja noch ein bisschen Input und wir führen die Diskussion hier noch ein bisschen weiter.
      Moin Marc!

      Lieben Dank für Deine Mühe.
      Nach dem, was Du geschrieben hast, ärgere ich mich noch mehr, das verpasst zu haben.
      Denn dieses Thema geistert immer häufiger in meinem Kopf herum.

      Gerade in Krisenzeiten wie heute frage ich mich oft selbst, was und warum wir Menschen so viel falsch machen.
      Und manchmal quält mich die Frage, ob ich als kleines Individuum nicht mehr tun könnte, um die Menschen wach zu rütteln.
      Das können schon mal quälende Stunden sein, weil ich damit einfach nicht weiterkomme.
      Aber zumindest versuche ich zunehmend ein besserer Mensch zu werden.

      Bezogen auf die Aquaristik wird das mit zunehmendem Alter, zumindest bei mir, nicht viel leichter.
      Sicher, ich versorge meine Fische nach bestem Gewissen so gut wie möglich.
      Jedoch gelingt es mir einfach immer weniger, alles so natürlich wie möglich zu gestalten.
      Mein eigenes "Schönheitsempfinden" beim Betrachten eines Aquariums bestimmt mein Aquarianerleben immer mehr.
      Hier in dieser Diskussion würde ich gerne wissen, welche Gedanken ihr euch da so macht.
      Grüße aus dem Pott,

      Dieter

      Moin Dieter,

      Käpt schrieb:

      ezogen auf die Aquaristik wird das mit zunehmendem Alter, zumindest bei mir, nicht viel leichter.
      Sicher, ich versorge meine Fische nach bestem Gewissen so gut wie möglich.
      Jedoch gelingt es mir einfach immer weniger, alles so natürlich wie möglich zu gestalten.
      Mein eigenes "Schönheitsempfinden" beim Betrachten eines Aquariums bestimmt mein Aquarianerleben immer mehr.
      Hier in dieser Diskussion würde ich gerne wissen, welche Gedanken ihr euch da so macht.


      ich sehe das inzwischen etwas lockerer und finde nicht, dass ein Aquarium so natürlich wie möglich aussehen muss. Ich kenne Aquarianer, die ausschließlich Biotopaquaristik betreiben wollen und nur Fische und Pflanzen vergesellschaften, die auch in der Natur gemeinsam vorkommen. Dem Fisch ist es aber vermutlich egal, ob die Pflanze, die er als Laichsubstrat benutzt, nun aus Lateinamerika oder Zentralafrika stammt. Ähnlich sieht es bei Fischen aus. Wenn sie physiologisch ähnliche Bedingungen an die Wasserbeschaffenheit stellen, warum sollte man sie dann nicht zusammen pflegen können?
      Wenn man ein Aquarium wirklich natürlich einrichten möchte, würde das je nach Habitat auch relativ karg aussehen. Sand, ein paar Holzbrocken und eine trübe Plörre.
      Funktionalität hat manchmal Vorrang und kommt dem Fisch auch eher zugute. Ich finde beispielsweise Laub im Aquarium unfassbar schön. Es ist natürlich und erinnert an einen überschwemmten Waldboden, das gefällt mir sehr! Allerdings fängt dieses Laub auch schnell an zu gammeln. In einem natürlichen Fließgewässer ist das kein Problem, da findet quasi konstant ein Wasseraustausch statt. Aber im Aquarium fehlt das, sodass man entsprechend oft Wasser wechseln müsste. Kann man dies aus zeitlichen Gründen nicht leisten, ist es sinnvoller auf die natürliche Laubschicht zu verzichten und das Becken etwas sauberer zu halten.

      Schwierig wird es natürlich, wenn das eigene Schönheitsempfinden über das Tierwohl gestellt wird und man sich Fische anschafft, die zu groß für das heimische Aquarium werden oder deren Haltungsansprüchen man einfach nicht gerecht wird.Ich kann derzeit beispielsweise keine tropischen Großcichliden halten, obwohl ich das gern tun würde. Aber es fehlt einfach die Zeit. Ein gut besetztes Aquarium mit tropischen Großcichliden braucht immerhin auch bei guter Filterung regelmäßige große Wasserwechsel, da viel gefüttert bzw. ausgeschieden wird und entsprechende Pflanzen als Nährstoffzehrer fehlen. Das habe ich ja bei meinen Uaru gesehen. Aber wenn man phasenweise immer nur am Wochenende da ist und auch noch anderen Kram zu erledigen hat, kann man das einfach schlecht leisten.
      Ich denke als Rentner muss man sich genauso die Frage stellen, ob man das alles noch so bewerkstelligt bekommt, oder ob es nicht besser wäre etwas zu reduzieren. Man muss ja nicht gleich völlig aufhören, aber vielleicht reduziert man den Besatz, sodass man nicht mehr so viele Wasserwechsel machen muss und beschränkt sich nur auf wenige Fisch- und Pflanzenarten, die auch mit geringem Pflegeaufwand viel Freude bereiten. Unterm Strich ist weniger oft mehr.